CVP-Chef Pfister über den Chef der österreichischen Schwesterpartei
18. Oktober 2017
(kopiert aus der Tageszeitung „Blick“ vom 18. Oktober 2017)
«Kurz ist kein Rechtspopulist»
BERN – In Österreich feierte ÖVP-Chef Sebastian Kurz (31) einen grossen Wahlerfolg. Über den Sieg der Schwesterpartei freut sich auch CVP-Chef Gerhard Pfister (55), doch auf einen Rechtskurs will er deswegen nicht einschwenken.
CVP-Parteichef Gerhard Pfister will nicht weiter nach rechts rücken.
«Sebastian Kunz hat den Wunsch der Bevölkerung nach einer echten Veränderung mit seiner Person verbunden
Interview Ruedi Studer
BLICK: Herr Pfister, am CVP-Sommerparteitag 2015 war
Sebastian Kurz Stargast bei Ihrer Partei. Was macht Kurz so erfolgreich?
Gerhard Pfister: Es ist ihm das Gleiche gelungen wie Macron in Frankreich: er hat den Wunsch der Bevölkerung nach einer echten Veränderung mit seiner Person verbunden. Er hat die Themen angesprochen, welche die Bevölkerung beschäftigen. Und mit der auf ihn zugeschnittenen Kampagne ist er ein hohes Risiko eingegangen. Sein Mut wurde belohnt.
Dann steigt die CVP 2019 mit einer Pfister-Kampagne in den Wahlkampf?
Nein, keine Sorge. Dazu eigne ich mich nicht und auch die CVP nicht. Eine solch personalisierte Kampagne ist in der Schweiz kaum denkbar und für die CVP nicht sinnvoll. Wir haben ein ganz anderes System.
Ihre Schwesterpartei ÖVP schafft über 30 Prozent, die CVP hierzulande holte 2015 gerade mal 11,6 Prozent. Was machen Sie falsch?
In unseren Stammlanden kommen wir auch auf 25 Prozent, im Wallis sogar auf über 30 Prozent. Man kann die beiden Systeme aber nicht vergleichen. Österreich hat seit Jahrzehnten ein bipolares System mit zwei grossen Volksparteien. Das wurde nun zwar etwas aufgebrochen, doch in der Schweiz gibt es einen viel grösseren Pluralismus.
Trotzdem, was können Sie von Kurz lernen?
Wir haben gute Kontakte zur ÖVP, aber auch zur deutschen CDU/CSU. Ich verfolge deren Wahlkämpfe mit grossem Interesse, da finden sich auch Elemente, die wir übernehmen können.
Nämlich?
Wir sind daran, unseren Wahlkampf zusammen mit den Kantonen zu professionalisieren. Das bedeutet auch eine gewisse Zentralisierung: Die Mutterpartei muss die Kantonalparteien stärker unterstützen. Personell, aber auch finanziell. Klar ist aber: Unsere Wahlkämpfe werden auch künftig viel bescheidener ausfallen als jene in Deutschland oder Österreich – schon nur wegen der Geldfrage.
Kurz hat mit der SPÖ gebrochen. Ist das nicht auch ein Rezept für die CVP, der SP den Rücken zuzuwenden – gerade nach der verlorenen Abstimmung über die Rentenreform?
Das macht in unserem System keinen Sinn. Wir kennen keine Blockbildung, sondern arbeiten wie alle Parteien in der Schweiz mit wechselnden Allianzen.
Von Kurz können Sie doch vor allem inhaltlich lernen: Ein scharfer Rechtskurs in Migrationsfragen bringt Wählerstimmen.
Kurz hat zu recht die Sorgen der Bevölkerung aufgenommen, aber anders als die FPÖ. Viele Medien machen ihn jetzt zu einem Rechtspopulisten, was völlig falsch ist. Es gibt kaum einen überzeugteren Europäer als Sebastian Kurz. Auch die CVP nimmt das Migrationsthema sehr ernst. Wir haben die Asylgesetz-Revision mit beschleunigten Verfahren mitgeprägt und verteidigt. Das Volk stimmte deutlich zu. Die CVP bekämpft den radikalen Islamismus, den Fundamentalismus, verteidigt Schweizer Werte und unseren Rechtsstaat.
Sie müssen doch der SVP das Migrationsthema wegschnappen! Wie schaffen Sie das?
Die CVP hat zur Migration eigenständige Positionen. Wir haben in der Asylpolitik auch mit dem revidierten Gesetz eine Reduktion der Asylbewerbenden erreicht. Wir haben schon lange gefordert, dass die europäische Zusammenarbeit und der Grenzschutz besser funktionieren müssen. Und wir haben die Hilfe vor Ort in den Krisengebieten unterstützt. Das sind nur wenige Beispiele, was die CVP in der Migrationspolitik tut.
Zieht die CVP künftig wieder stärker nach rechts?
Nein, wir bleiben eine wertkonservative, bürgerliche und soziale Volkspartei der Mitte. Als Familien- und Mittelstandspartei werden wir auch auf die Sozial- und Gesundheitspolitik fokussieren. Eine Volksinitiative für eine Gesundheitskostenbremse ist in Erarbeitung. Und bis 2019 braucht es unbedingt eine neue Volksabstimmung über die Altersvorsorge. Da werden wir uns für eine langfristig gesicherte Finanzierung, den Erhalt des heutigen Rentenniveaus und einen echten sozialen Ausgleich für die Erhöhung des Rentenalters für Frauen stark machen.